Zum schwarzen Rüden

Die heutige Liegenschaft Rüdengasse 3 / Falknerstrasse 1 in Basel tritt erstmals im Jahr 1393 ins Licht der schriftlichen Überlieferung. Damals fertigte der Kleriker Ebe von Ebersberg in der Wohnung des Notars, genannt „zem swartzen Rüden“, eine Urkunde aus, in der die Erben der Agnes von Lingolfsheim Albert Spyrer von Ettenheim als Testamentsvollstrecker einsetzten…


Menlinssteg und Kutterbrücke

Das Haus lag „am Ort“, das heisst an der Ecke der 1286 erstmals erwähnten Brücke, die den Birsig von der Rüdengasse zum Rindermarkt, das heisst zur untern Gerbergasse, überspannte und nach dem am Rindermarkt wohnhaften Menlin von Rufach, einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der zweiten Basler Judengemeinde, im 14. Jahrhundert als „Menlinssteg“ bezeichnet wurde. Später hiess die Brücke „Kuttelbrücke„, weil sich darauf das Kuttelhaus befand, in dem die Kuttler den ihnen vorbehaltenen Spezialmarkt von Innereien geschlachteter Tiere abhielten.

Im Jahr 1400 wird als Bewohner des Hauses der Spengler Clewin Ritter erwähnt, dem der aus Delsberg stammende, 1381 in Basel eingebürgerte Watmann (Tuchhändler) und spätere Oberstzunftmeister Henman Spitz ein Darlehen von 100 Gulden gewährte. Spitz war wohl einer der reichsten Basler seiner Zeit; denn er versteuerte 1401 ein Vermögen von 10’000 Gulden „und darob“. In sein 9’388 Gulden betragendes Erbe und damit auch in den auf dem „Schwarzen Rüden“ lastenden Zins hatten sich der Sohn, der in den Junkernstand aufgestiegene Hans Spitz, Zunftmeister zum Schlüssel, und dessen Geschwister zu teilen. Ihnen blieben die beiden Brotbecken Clewin Bassler und Hans Habech, die nacheinander im „Ofelihus“ -in der Kuttelbrücke Einsitz nahmen, zinspflichtig, und ebenso der Gerber Hans Burger, dem sie die Liegenschaft 1439 verliehen. Von ihm ging sie vier Jahre später über an den Karrer (Pferde Fuhrmann) Heinrich von Ettlingen, der sie 1470 an Elsi Huttinger veräusserte.

Blick auf Rüdengasse und Birsig (1874) Quelle: Staatsarchiv Basel


150 Jahre lang Herberge

Die Käuferin heiratete in erster Ehe den Wirt Johannes vom Pilgerstab an der Eisengasse 9 (1875 Habana-Haus Tabakwarengeschäft von Max Oettinger), unter dem auch der „Schwarze Rüden“ zu einer Herberge wurde. Nach seinem Tod führte der zweite Gatte der Huttingerin, Bartholomäus Hutter, die Gaststätte weiter; er figuriert im Reichssteuerrodel von 1497 mit seiner Frau, einem Töchterlein und einem Knaben als Bewohner der Liegenschaft. Sein Nachfolger wurde Wernlin Möschlin, der zuvor „Wachtmeister“ des Rates gewesen war. Er liess Haus und Herberge wie die damit verbundene Stallung verlottern, weshalb ihn die Nachbarn 1513 „wegen Missbuws“ vor das zuständige Fünfergericht zogen. Schon zwei Jahre hernach wurde er abgelöst durch Claus Bögli von Buschwiler.

Seit 1526 erscheint als Eigentümer der Liegenschaft der Wechsler Bernhard Meyer zum Pfeil (1488-1558), der, zunächst Ratsherr zum Schlüssel, 1548 nach dem Tod seines Bruder Adelberg an dessen Stelle zum Bürgermeister erhoben wurde. Meyer zum Pfeil war der Schwager des Grossvaters unseres Vorfahrens, dem Goldschmied Martin Huber-Burckhardt (1636-1676).

Meyer zum Pfeil überliess die Führung der Herberge und in der Folge auch das Haus selbst dem Wirt Caspar Zeller. Nach dessen Tod ging die Gattin Brida von Stall eine zweite Ehe ein mit Arbogast Hegy, dem Wirt zur Krone an der Schifflände, der indessen den “Schwarzen Rüden” 1550 verkaufte.

Einige Jahrzehnte lang stand das Haus im Besitz des Wagners Sebastian Brunner (1536-1574), dessen Tochter Margrit es in ihre beiden Ehen mit dem Seidenhändler Andreas im Hof (1535-1573) und dem Kaufmann und Ratsherrn Andreas Ryff (1550-1603), dem bekannten Friedensvermittler zwischen Stadt und Landschaft im „Rappenkrieg“ von 1594, brachte. In Balthasar Freyburger begegnen wir zu Ende des 16. Jahrhunderts wiederum einem Wirt auf dem „Schwarzen Rüden“, der noch 1610 in der Stadtbeschreibung Felix Platters (1536-1614) als Wirtshaus bezeichnet wird; damals wurde es geführt durch Rudolf Langmesser, der 1598 von seinen Nachbarn wegen seines „heimlichen Gemachs“ im Höflein beim „Fünfern“ Zunftausschuss eingeklagt wurde.

Rüdengasse und Ecke Freie Strasse (ca. 1900) Quelle: Staatsarchiv Basel ISIL CH-000027-1


Der Neubau von 1899

Nachdem zu Ende des 19. Jahrhunderts der bis dahin offen vom Barfüsserplatz zur Hauptpost fliessende Birsig durch die Falknerstrasse überdeckt worden war, entschloss sich der Buchdrucker Johann Georg Baur-Sprenger 1899, die Liegenschaft neu überbauen zu lassen. Seine Architekten waren die Brüder Gustav und Julius Kelterborn (1841-1908 / 1857-1915) , die begabten Söhne von Ludwig Adam Kelterborn 1811-1878), dem ersten Zeichnungslehrer von Arnold Böcklin (1827-1901). Sie lösten ihre Aufgabe, in stilistischer Anlehnung an die Frührenaissance und schufen mit dem in farbigem Haustein errichteten Neubau ein wirkungsvolles Pendant zum gegenüberliegenden alten Hauptpost Gebäude (1881-2021).

Seit 1911 bildet der „Schwarze Rüden“ auf der Seite der Falknerstrasse das Domizil der Firma Gummi-Brunner AG. Auf der Seite der Rüdengasse 3 eröffnete 1946 der vierzig Jahre zuvor gegründete Familienbetrieb Kessenich & Cie ihre Goldschmiedefirma. Die traditionsreiche Familie Kessenich bildete einige junge Goldschmiede aus und war als erstklassige Goldschmiede bekannt. Schlagzeigen machte 1978 der dramatische Raubüberfall auf das Juweliergeschäft Kessenich. Beide Firmen haben im Lauf der Jahre ihre Geschäftslokalitäten wesentlich erweitert. Die Lokalitäten an der Falknerstrasse 1 wurden 1994 von der Parfumeriekette Alrodo übernommen, die ihrerseite im Jahre 2000 von der Parfumerie Marionnaud. In Europa ist das Unternehmen mit insgesamt 1231 Filialen (Stand 2008) die Nummer 1 im Pafumerie Bereich.

Im August 1993 hat die 1967 gegründete Uhren Bijouterie AU BIJOU GmbH, die Verkaufslokalitäten an der Rüdengasse 3 übernommen. Die Ateliers im Obergeschoss wurden stetig den zeitlichen Anforderungen angepasst und modernisiert. Heute arbeiten 4 Uhren-Bijouterie Verkaufsberater/innen, 2 Uhrmacher und 4 kaufmännische Mitarbeiterinnen im unabhängigen Basler Familienunternehmen.

Wir freuen uns über das glückliche Gelingen der Renovation des markanten Eckbaus, der einen wichtigen Akzent im Stadtbild und zugleich ein bedeutendes Denkmal der Basler Architektur des 18. Jahrhunderts darstellt.

(Quelle: Gustav Adolf Wanner, 1911-1984)

Rüdengasse in Basel um 1912

Rüdengasse und Ecke Falknerstrasse (ca. 1912) Quelle: Staatsarchiv Basel NEG 1521


Die heutige Freie Strasse setzt sich aus drei Strassen teilen zusammen. Es sind dies die eigentliche Freien Strasse zwischen Rüdengasse und Streitgasse, dem Strassenzug beim Bäumlein und den Häuserzeilen «unter den Becheren» zwischen Rüdengasse und Marktplatz. Die seit der Römerzeit bekannte Landstrasse, die älteste Hauptstrasse Basels, führte ursprünglich durch offenes, unüber bautes Gebiet und stand unter dem besonderen Schutz der Herrscher. Als Reichsstrasse kam ihr gleichsam der Status einer «Zollfreistrasse» zu, was den Namen «Freie Strasse», erklärt.

Freie Strasse 84/82, ca. 1910 Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt NEG 1197